Mit Hand, Herz und Hirn
Text: Thorsten Bayer
Fotos und Video: Markus Gmeiner/Yohana Papa Onyango
Nach anderthalb Jahren Arbeit im Spital hat Lea Waltner (24) einen anderen Weg eingeschlagen. Im Dornbirner Pflegeheim Höchsterstraße bildet sie sich laufend weiter.
Ein genaues Bild ihres Opas mütterlicherseits hat sie nicht mehr vor Augen. Er starb, als Lea zwölf Jahre alt war. Doch an seine Demenz erinnert sie sich sehr gut – und daran, wie damit umzugehen war. Sie besuchte ihn gerne mit ihrer Mutter, einer gelernten Krankenschwester, im Heim. „Meine Mama hat mir alles immer sehr gut erklärt. So war ich bestens vorbereitet und habe ohne Scheu auch die anderen Bewohner mit unterhalten“, erzählt sie. Durch zwei auf Hilfe bzw. Pflege angewiesene Onkel, einen mit Hirntumor und einen mit Down-Syndrom, kam sie früh mit weiteren Krankheitsbildern in Kontakt.
In der Rückschau erscheint es völlig logisch, dass sich die Dornbirnerin für einen Pflegeberuf entschieden hat. Doch ganz so einfach war die Sache dann doch nicht, als sich die Zeit an der Handelsschule dem Ende entgegenneigte: „Ich habe mich lange gefragt, was ich werden will: Welchen Beruf kann ich mir für mein ganzes Leben vorstellen? Und wo kann ich mich verwirklichen?“ Das Bauchgefühl gab schließlich den Ausschlag, gegen die HAK-Matura und für die Krankenpflegeschule. Der Weg über ein Studium wäre ihr zu lang gewesen. Daher entschied sie sich für eine „sehr gute und praxisnahe Ausbildung“ zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester in Feldkirch. Bis diese startete, absolvierte sie drei jeweils einwöchige Praktika in der Psychiatrie Rankweil, im Pflegeheim Dornbirn Birkenwiese sowie im Dornbirner Spital – um sicher zu sein, dass ihr der Beruf auch liegt.
Medizinische Kompetenz
„Der intensive Kontakt mit den Menschen ist eine schöne, aber große Herausforderung. Man muss sich gut ansehen, ob dieser Beruf zu einem passt. Daher ist es vor allem für junge Leute wichtig, solche Schnupper-Angebote wahrzunehmen“, sagt sie. In der Krankenpflegeschule traf sie auf viele Quereinsteiger, vom Handwerker bis zum Akademiker war alles dabei. Nach drei Jahren, mit dem Abschluss in der Tasche, wollte Lea ins Großstadtleben eintauchen und zog nach Wien, wo sie zunächst in einer „Intensiv-Pflege-WG“ arbeitete. Hier kümmerte sie sich beispielsweise um Menschen mit Autismus oder Down-Syndrom. Es folgten anderthalb Jahre im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern. „Für mich war immer klar, dass ich in der Langzeitpflege arbeiten möchte. Doch die Erfahrungen aus dem Spital waren eine wichtige Grundlage. Ich wollte Sicherheit in medizinischen Fragen gewinnen und lernen, Situationen richtig einzuschätzen. Anders als dort ist im Heim nicht immer ein Arzt erreichbar. Umso wichtiger ist es daher zu beurteilen, ob es ihn wirklich sofort braucht.“
Vorbehalte
Seit Oktober 2017 ist sie zurück in Dornbirn und arbeitet im Pflegeheim Höchsterstraße. Als diplomierte Fachkraft ist sie für 32 Damen und Herren hauptverantwortlich. Dass sie dem Spital Adieu sagte, konnte nicht jeder nachvollziehen. Die Arbeit im Pflegeheim genießt bei manchen nicht den besten Ruf. „Das ist doch jeden Tag dasselbe“, „Findest Du es nicht mühsam?“ – solche Vorurteile bekam sie häufig zu hören. „Viele sehen das Heim als Endstation. Das stimmt aber nicht, viele sind auch zur Übergangspflege bei uns.“ Für sie war der Wechsel richtig, dieser Beruf ist „vollkommen meins“. Hier hat sie die Möglichkeit, ihre Philosophie umzusetzen: „Wenn ich mit Hand, Herz und Hirn pflege, kann es nur richtig sein.“ Ein sechsköpfiges Team teilt sich über 24 Stunden die Arbeit auf. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben sieht sie darin, eine Beziehung zum Bewohner und zur Bewohnerin aufzubauen – auch wenn das nicht jeder oder jede von Anfang an zulässt. „Die kleinen Momente machen unsere Arbeit aus“, erzählt Waltner. Ein Beispiel: Eine 96 Jahre alte Dame sei bei einem Bad richtig aufgeblüht. „Sie hat in der Badewanne voller Freude schöne Geschichten aus der Zeit erzählt, als sie selbst noch jung war. Offenbar hat sie gespürt, dass wir uns wirklich um sie bemühen. Durch regelmäßigen Kontakt lernt man seine Bewohner kennen.“ Das macht für sie die Langzeitpflege aus: „Man begleitet Menschen oft Jahre.“
Diplomierte Pflegerinnen und Pfleger
Diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen erheben den Pflegebedarf, planen die Pflege und setzen sie im Alltag um. Medizinische Maßnahmen, etwa das Wechseln von Verbänden, erfolgen auf Anordnung der Ärztinnen und Ärzte. Die Ausbildung an Gesundheits- und Krankenpflegeschulen oder an der Fachhochschule Vorarlberg dauert drei Jahre.
Förderung
Ohne Beschäftigung ziehen sich viele alte Menschen schnell zurück. Daher setzen Lea Waltner und ihre Kolleginnen und Kollegen darauf, das Interesse an früheren Hobbys wieder zu wecken und sie in den Alltag zu integrieren. Eine Dame hat so wieder die Leidenschaft für das Zeichnen gefunden. Positiver Nebeneffekt: Ihre frühere Unruhe ist deutlich zurückgegangen, nachts schläft sie seither besser. „Und das Zeichnen ist für uns auch ein Stimmungsbarometer: Wenn sie gute Laune hat, nimmt sie helle Farben. Bei schlechterer Stimmung dominieren dunklere Töne“, sagt Waltner mit einem Lächeln.
Um sich noch besser in die Bewohner hineinversetzen zu können, hat sie mit einem Lehrgang in Gerontopsychiatrie begonnen. Pflegedienstleiterin Ruth Weiskopf hatte ihr diese Weiterbildung selbst vorgeschlagen. Neben der Pflege geht es darum, die Beobachtungsgabe zu schulen. Außerdem stehen praktische Inhalte auf dem Lehrplan, beispielsweise das Anlegen eines Hochbeets mit den Bewohnern und Bewohnerinnen.
Mit Hand, Herz und Hirn
Text: Thorsten Bayer
Fotos und Video: Markus Gmeiner/Yohana Papa Onyango
Nach anderthalb Jahren Arbeit im Spital hat Lea Waltner (24) einen anderen Weg eingeschlagen. Im Dornbirner Pflegeheim Höchsterstraße bildet sie sich laufend weiter.
Ein genaues Bild ihres Opas mütterlicherseits hat sie nicht mehr vor Augen. Er starb, als Lea zwölf Jahre alt war. Doch an seine Demenz erinnert sie sich sehr gut – und daran, wie damit umzugehen war. Sie besuchte ihn gerne mit ihrer Mutter, einer gelernten Krankenschwester, im Heim. „Meine Mama hat mir alles immer sehr gut erklärt. So war ich bestens vorbereitet und habe ohne Scheu auch die anderen Bewohner mit unterhalten“, erzählt sie. Durch zwei auf Hilfe bzw. Pflege angewiesene Onkel, einen mit Hirntumor und einen mit Down-Syndrom, kam sie früh mit weiteren Krankheitsbildern in Kontakt.
In der Rückschau erscheint es völlig logisch, dass sich die Dornbirnerin für einen Pflegeberuf entschieden hat. Doch ganz so einfach war die Sache dann doch nicht, als sich die Zeit an der Handelsschule dem Ende entgegenneigte: „Ich habe mich lange gefragt, was ich werden will: Welchen Beruf kann ich mir für mein ganzes Leben vorstellen? Und wo kann ich mich verwirklichen?“ Das Bauchgefühl gab schließlich den Ausschlag, gegen die HAK-Matura und für die Krankenpflegeschule. Der Weg über ein Studium wäre ihr zu lang gewesen. Daher entschied sie sich für eine „sehr gute und praxisnahe Ausbildung“ zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester in Feldkirch. Bis diese startete, absolvierte sie drei jeweils einwöchige Praktika in der Psychiatrie Rankweil, im Pflegeheim Dornbirn Birkenwiese sowie im Dornbirner Spital – um sicher zu sein, dass ihr der Beruf auch liegt.
Medizinische Kompetenz
„Der intensive Kontakt mit den Menschen ist eine schöne, aber große Herausforderung. Man muss sich gut ansehen, ob dieser Beruf zu einem passt. Daher ist es vor allem für junge Leute wichtig, solche Schnupper-Angebote wahrzunehmen“, sagt sie. In der Krankenpflegeschule traf sie auf viele Quereinsteiger, vom Handwerker bis zum Akademiker war alles dabei. Nach drei Jahren, mit dem Abschluss in der Tasche, wollte Lea ins Großstadtleben eintauchen und zog nach Wien, wo sie zunächst in einer „Intensiv-Pflege-WG“ arbeitete. Hier kümmerte sie sich beispielsweise um Menschen mit Autismus oder Down-Syndrom. Es folgten anderthalb Jahre im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern. „Für mich war immer klar, dass ich in der Langzeitpflege arbeiten möchte. Doch die Erfahrungen aus dem Spital waren eine wichtige Grundlage. Ich wollte Sicherheit in medizinischen Fragen gewinnen und lernen, Situationen richtig einzuschätzen. Anders als dort ist im Heim nicht immer ein Arzt erreichbar. Umso wichtiger ist es daher zu beurteilen, ob es ihn wirklich sofort braucht.“
Diplomierte Pflegerinnen und Pfleger
Diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen erheben den Pflegebedarf, planen die Pflege und setzen sie im Alltag um. Medizinische Maßnahmen, etwa das Wechseln von Verbänden, erfolgen auf Anordnung der Ärztinnen und Ärzte. Die Ausbildung an Gesundheits- und Krankenpflegeschulen oder an der Fachhochschule Vorarlberg dauert drei Jahre.
Vorbehalte
Seit Oktober 2017 ist sie zurück in Dornbirn und arbeitet im Pflegeheim Höchsterstraße. Als diplomierte Fachkraft ist sie für 32 Damen und Herren hauptverantwortlich. Dass sie dem Spital Adieu sagte, konnte nicht jeder nachvollziehen. Die Arbeit im Pflegeheim genießt bei manchen nicht den besten Ruf. „Das ist doch jeden Tag dasselbe“, „Findest Du es nicht mühsam?“ – solche Vorurteile bekam sie häufig zu hören. „Viele sehen das Heim als Endstation. Das stimmt aber nicht, viele sind auch zur Übergangspflege bei uns.“ Für sie war der Wechsel richtig, dieser Beruf ist „vollkommen meins“. Hier hat sie die Möglichkeit, ihre Philosophie umzusetzen: „Wenn ich mit Hand, Herz und Hirn pflege, kann es nur richtig sein.“ Ein sechsköpfiges Team teilt sich über 24 Stunden die Arbeit auf. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben sieht sie darin, eine Beziehung zum Bewohner und zur Bewohnerin aufzubauen – auch wenn das nicht jeder oder jede von Anfang an zulässt. „Die kleinen Momente machen unsere Arbeit aus“, erzählt Waltner. Ein Beispiel: Eine 96 Jahre alte Dame sei bei einem Bad richtig aufgeblüht. „Sie hat in der Badewanne voller Freude schöne Geschichten aus der Zeit erzählt, als sie selbst noch jung war. Offenbar hat sie gespürt, dass wir uns wirklich um sie bemühen. Durch regelmäßigen Kontakt lernt man seine Bewohner kennen.“ Das macht für sie die Langzeitpflege aus: „Man begleitet Menschen oft Jahre.“
Förderung
Ohne Beschäftigung ziehen sich viele alte Menschen schnell zurück. Daher setzen Lea Waltner und ihre Kolleginnen und Kollegen darauf, das Interesse an früheren Hobbys wieder zu wecken und sie in den Alltag zu integrieren. Eine Dame hat so wieder die Leidenschaft für das Zeichnen gefunden. Positiver Nebeneffekt: Ihre frühere Unruhe ist deutlich zurückgegangen, nachts schläft sie seither besser. „Und das Zeichnen ist für uns auch ein Stimmungsbarometer: Wenn sie gute Laune hat, nimmt sie helle Farben. Bei schlechterer Stimmung dominieren dunklere Töne“, sagt Waltner mit einem Lächeln.
Um sich noch besser in die Bewohner hineinversetzen zu können, hat sie mit einem Lehrgang in Gerontopsychiatrie begonnen. Pflegedienstleiterin Ruth Weiskopf hatte ihr diese Weiterbildung selbst vorgeschlagen. Neben der Pflege geht es darum, die Beobachtungsgabe zu schulen. Außerdem stehen praktische Inhalte auf dem Lehrplan, beispielsweise das Anlegen eines Hochbeets mit den Bewohnern und Bewohnerinnen.