Von den richtigen Zutaten
Text: Thorsten Bayer
Fotos und Video: Markus Gmeiner/Yohana Papa Onyango
Vor allem beim Kochen unterstützt MoHi-Helferin Verena Fitz ihre Klientin Martha Grabher. Zusammen sind sie ein sympathisches Team, in dem eine von der anderen lernen kann.
Der „Essen auf Rädern“-Service war einfach nicht das Richtige für sie. Mit dem Mobilen Hilfsdienst Lustenau hingegen ist Martha Grabher sehr zufrieden. Seit rund einem Jahr ist sie Klientin, fünf Mal pro Woche besucht ein Helfer oder eine Helferin die 91-Jährige. Besonders Verena Fitz (28) ist für die alte Dame zu einer wichtigen Bezugsperson geworden – und zu ihrer Lieblingsköchin. Sie kommt montags, mittwochs und donnerstags. Bei schönem Wetter gehen die beiden vor dem Kochen spazieren oder kümmern sich gemeinsam um die Wäsche: Verena bügelt, Martha legt die Kleidungsstücke zusammen. „Schön, dass wir uns so gut verstehen“, findet Verena und blickt liebevoll zu ihrer Klientin. Manchmal liest sie auch etwas vor.
Martha Grabher kann nicht mehr lesen. Lediglich 30 Prozent Sehkraft sind ihr geblieben. „Dazu habe ich immer einen starken Schleier vor Augen“, sagt sie. „Makula-Degeneration“ ist der medizinische Fachbegriff für diese Erkrankung der Netzhaut, die häufig alte Menschen trifft. Doch sie möchte ihre geliebten Bücher nicht missen, wenn sie allein ist. Daher ist sie auf Hörbücher umgestiegen, die sie auch über den Blindenbund bezieht. Krimis, Geschichten über Bauern oder emanzipierte Frauen sind ihre Favoriten. Sie weiß sich zu helfen: Wenn sie nachts aufwacht, verrät ihr die sprechende Uhr die richtige Zeit. Mit ihrem Rollator – „meinem Mercedes“, wie sie das Gerät lächelnd nennt – kann sie allein eine kleine Runde gehen. Momentan ist sie dabei etwas vorsichtig: Die abrupten Wetterwechsel der vergangenen Wochen haben ihrem Kreislauf zu schaffen gemacht.
Mobile Hilfsdienste
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mobilen Hilfsdienste unterstützen pflegebedürftige Menschen in ihrer gewohnten Umgebung: durchs Zuhören, Vorlesen, Spazierengehen, die Begleitung bei Behördengängen und Arztbesuchen oder durch Hilfe im Haushalt. Derzeit nehmen rund 4500 Menschen das Angebot in Anspruch, das landesweit verfügbar ist.
Gelungener Austausch
„Morgens überlegen wir als erstes, was wir kochen sollen“, erzählt Verena. Wenn die Zubereitung startet, hat Martha Grabher immer wieder Tipps. „Ich freue mich, wenn ich jemandem noch etwas mitgeben kann“, sagt sie. „Von Dir nehme ich viel mit“, antwortet die Helferin. Heute sind Journalist und Fotograf da, die Vorbereitungszeit ist kurz. Das richtige Gericht für später ist schnell gefunden: Spaghetti Bolognese, danach als Dessert eine Crème mit Ribisel aus dem eigenen Garten.
Martha Grabher wurde in der kleinen Gemeinde Pfaffstätten, 40 Kilometer südlich von Wien, geboren. 1939 kam sie das erste Mal nach Vorarlberg, als Erholung in den Ferien. „Achtzehn Stunden sind wir damals mit dem Zug von Wien nach Lustenau gefahren“, erinnert sie sich. Zwei Sommer hintereinander verbrachte sie bei einer Bäcker-Familie. Mit 17 musste sie zum Kriegshilfsdienst einrücken – als Handelsschulabsolventin durfte sie Büroarbeit machen. Sie erlebte die Bombardierung des Flughafens Schwechat. Später arbeitete sie in einer Fabrik in der Nähe von Wels, wo sie die Zünder für Granaten einbauen musste. „Nach dem Krieg konnte ich nicht nach Pfaffstätten zurück. Der Ort war von den Russen besetzt“, erinnert sie sich. So machte sie sich wieder auf die Reise nach Lustenau und fand bei ihren früheren Gastgebern einen Ort zum Leben und Arbeiten.
Von den richtigen Zutaten
Text: Thorsten Bayer
Fotos und Video: Markus Gmeiner/Yohana Papa Onyango
Vor allem beim Kochen unterstützt MoHi-Helferin Verena Fitz ihre Klientin Martha Grabher. Zusammen sind sie ein sympathisches Team, in dem eine von der anderen lernen kann.
Der „Essen auf Rädern“-Service war einfach nicht das Richtige für sie. Mit dem Mobilen Hilfsdienst Lustenau hingegen ist Martha Grabher sehr zufrieden. Seit rund einem Jahr ist sie Klientin, fünf Mal pro Woche besucht ein Helfer oder eine Helferin die 91-Jährige.
Besonders Verena Fitz (28) ist für die alte Dame zu einer wichtigen Bezugsperson geworden – und zu ihrer Lieblingsköchin. Sie kommt montags, mittwochs und donnerstags. Bei schönem Wetter gehen die beiden vor dem Kochen spazieren oder kümmern sich gemeinsam um die Wäsche: Verena bügelt, Martha legt die Kleidungsstücke zusammen. „Schön, dass wir uns so gut verstehen“, findet Verena und blickt liebevoll zu ihrer Klientin. Manchmal liest sie auch etwas vor.
Martha Grabher kann nicht mehr lesen. Lediglich 30 Prozent Sehkraft sind ihr geblieben. „Dazu habe ich immer einen starken Schleier vor Augen“, sagt sie. „Makula-Degeneration“ ist der medizinische Fachbegriff für diese Erkrankung der Netzhaut, die häufig alte Menschen trifft. Doch sie möchte ihre geliebten Bücher nicht missen, wenn sie allein ist. Daher ist sie auf Hörbücher umgestiegen, die sie auch über den Blindenbund bezieht. Krimis, Geschichten über Bauern oder emanzipierte Frauen sind ihre Favoriten.
Sie weiß sich zu helfen: Wenn sie nachts aufwacht, verrät ihr die sprechende Uhr die richtige Zeit. Mit ihrem Rollator – „meinem Mercedes“, wie sie das Gerät lächelnd nennt – kann sie allein eine kleine Runde gehen. Momentan ist sie dabei etwas vorsichtig: Die abrupten Wetterwechsel der vergangenen Wochen haben ihrem Kreislauf zu schaffen gemacht.
Gelungener Austausch
„Morgens überlegen wir als erstes, was wir kochen sollen“, erzählt Verena. Wenn die Zubereitung startet, hat Martha Grabher immer wieder Tipps. „Ich freue mich, wenn ich jemandem noch etwas mitgeben kann“, sagt sie. „Von Dir nehme ich viel mit“, antwortet die Helferin. Heute sind Journalist und Fotograf da, die Vorbereitungszeit ist kurz. Das richtige Gericht für später ist schnell gefunden: Spaghetti Bolognese, danach als Dessert eine Crème mit Ribisel aus dem eigenen Garten.
Mobile Hilfsdienste
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mobilen Hilfsdienste unterstützen pflegebedürftige Menschen in ihrer gewohnten Umgebung: durchs Zuhören, Vorlesen, Spazierengehen, die Begleitung bei Behördengängen und Arztbesuchen oder durch Hilfe im Haushalt. Derzeit nehmen rund 4500 Menschen das Angebot in Anspruch, das landesweit verfügbar ist.
Martha Grabher wurde in der kleinen Gemeinde Pfaffstätten, 40 Kilometer südlich von Wien, geboren. 1939 kam sie das erste Mal nach Vorarlberg, als Erholung in den Ferien. „Achtzehn Stunden sind wir damals mit dem Zug von Wien nach Lustenau gefahren“, erinnert sie sich. Zwei Sommer hintereinander verbrachte sie bei einer Bäcker-Familie. Mit 17 musste sie zum Kriegshilfsdienst einrücken – als Handelsschulabsolventin durfte sie Büroarbeit machen. Sie erlebte die Bombardierung des Flughafens Schwechat. Später arbeitete sie in einer Fabrik in der Nähe von Wels, wo sie die Zünder für Granaten einbauen musste. „Nach dem Krieg konnte ich nicht nach Pfaffstätten zurück. Der Ort war von den Russen besetzt“, erinnert sie sich. So machte sie sich wieder auf die Reise nach Lustenau und fand bei ihren früheren Gastgebern einen Ort zum Leben und Arbeiten.
Nach einem beruflichen Intermezzo auf der anderen Seite des Rheins in Balgach, wo sie Herrensocken fertigte, machte sie sich in Lustenau als Ein-Frau-Unternehmerin selbständig. Seidenstrümpfe waren ihr Metier. In einem Tanzkurs lernte sie Elmar kennen („Er hat prima tanzen können“), den sie 1952 heiratete. Drei Söhne kamen im Laufe der Jahre zur Welt, alle wohnen noch in Lustenau oder Dornbirn. Ihr Mann starb vor 15 Jahren an Krebs.
Zusatzausbildung Heimhilfe
Auch Verena Fitz war eine Weile in der Textilbranche tätig. Doch nach der Lehre zur Textiltechnikerin wurde ihr klar: „Die Arbeit in der Produktion macht mich kaputt. Ich möchte lieber mit Menschen arbeiten.“ Ihre Mutter war schon länger als MoHi-Helferin tätig und weckte damit die eigene Neugier. Aus anfangs fünf Stunden pro Woche sind inzwischen 28 bis 30 geworden. Momentan macht sie zusätzlich den Heimhilfe-Lehrgang. Praktika bei der Lebenshilfe und in einem Heim liegen bereits hinter ihr.
„Ich finde es schön, mir jeweils zwei Stunden für die Menschen Zeit zu nehmen, wirklich für sie da zu sein und ihnen genau das zu geben, was sie brauchen“, erklärt die Umsteigerin. Beim Mobilen Hilfsdienst hat sie Klienten und Klientinnen im Alter zwischen 78 und 91 Jahren. Martha Grabher ist die älteste. Ihr ist ein freundlicher Umgang miteinander sehr wichtig – und sie weiß, dass sie dazu selbst viel beitragen kann: „Ich sage nie zu Verena: ‚Du musst …’, sondern frage immer: ‚Würdest Du bitte …?’“„Wir funktionieren zusammen wie ein Schweizer Uhrwerk“, sagt Verena, „ein Rädchen greift ins andere.“ Um in diesem Bild zu bleiben: Über die richtige „Mechanik“ – die passenden Handgriffe und eingespielten Abläufe – hinaus stimmt bei den beiden spürbar die Chemie.
Nach einem beruflichen Intermezzo auf der anderen Seite des Rheins in Balgach, wo sie Herrensocken fertigte, machte sie sich in Lustenau als Ein-Frau-Unternehmerin selbständig. Seidenstrümpfe waren ihr Metier. In einem Tanzkurs lernte sie Elmar kennen („Er hat prima tanzen können“), den sie 1952 heiratete. Drei Söhne kamen im Laufe der Jahre zur Welt, alle wohnen noch in Lustenau oder Dornbirn. Ihr Mann starb vor 15 Jahren an Krebs.
Zusatzausbildung Heimhilfe
Auch Verena Fitz war eine Weile in der Textilbranche tätig. Doch nach der Lehre zur Textiltechnikerin wurde ihr klar: „Die Arbeit in der Produktion macht mich kaputt. Ich möchte lieber mit Menschen arbeiten.“ Ihre Mutter war schon länger als MoHi-Helferin tätig und weckte damit die eigene Neugier. Aus anfangs fünf Stunden pro Woche sind inzwischen 28 bis 30 geworden. Momentan macht sie zusätzlich den Heimhilfe-Lehrgang. Praktika bei der Lebenshilfe und in einem Heim liegen bereits hinter ihr.
„Ich finde es schön, mir jeweils zwei Stunden für die Menschen Zeit zu nehmen, wirklich für sie da zu sein und ihnen genau das zu geben, was sie brauchen“, erklärt die Umsteigerin. Beim Mobilen Hilfsdienst hat sie Klienten und Klientinnen im Alter zwischen 78 und 91 Jahren. Martha Grabher ist die älteste. Ihr ist ein freundlicher Umgang miteinander sehr wichtig – und sie weiß, dass sie dazu selbst viel beitragen kann: „Ich sage nie zu Verena: ‚Du musst …’, sondern frage immer: ‚Würdest Du bitte …?’“ „Wir funktionieren zusammen wie ein Schweizer Uhrwerk“, sagt Verena, „ein Rädchen greift ins andere.“ Um in diesem Bild zu bleiben: Über die richtige „Mechanik“ – die passenden Handgriffe und eingespielten Abläufe – hinaus stimmt bei den beiden spürbar die Chemie.