Von der Helferin zur Klientin
Text: Thorsten Bayer
Fotos und Video: Markus Gmeiner/Yohana Papa Onyango
Sechzehn Jahre lang hat Huberta Buttazoni selbst beim Mobilen Hilfsdienst Feldkirch gearbeitet. Heute freut sich die 71-Jährige über die Unterstützung einer Nachfolgerin.
Oft ist Scham im Spiel, wenn zum ersten Mal jemand Neues ins Haus kommt. Vielen fällt es schwer, Hilfe anzunehmen bei Tätigkeiten, die sie selbst nicht mehr erledigen können. Diese Erfahrung machte Huberta Buttazoni häufig, als sie noch MoHi-Helferin war. „Oft steht dahinter die Angst, das Leben insgesamt nicht mehr allein auf die Reihe zu kriegen“, sagt die Feldkircherin. Vor drei Jahren musste sie nach einem Hüftbruch ihre Arbeit im Mobilen Hilfsdienst beenden. 2016 wurde sie selbst Klientin – und lernte ihre frühere Tätigkeit aus einer neuen Perspektive kennen. „Das war für mich ein großer Einschnitt, ich war nervös. Der Rollenwechsel fiel mir anfangs schwer“, erinnert sie sich.
Mittlerweile ist sie dankbar für die Hilfe beim Aufräumen, Staubsaugen und Bodenwischen – „bei Sachen, wo ich mir halt schwertue“, fasst Huberta Buttazoni die Aufgaben zusammen. Diese Liste ist bei der zart gebauten Frau momentan etwas länger als sonst. Im Februar stürzte sie über den Holzkorb in der Stube. Die Folge: einfacher Steißbein- und doppelter Schambeinbruch. „Ich bin eben eine Sturzpilotin“, sagt sie lächelnd. MoHi-Helferin Carmen Schöch (49) kommt jeden Donnerstag für anderthalb Stunden. Wenn sie beispielsweise zum Lappen greift, um die oberen Kästen zu reinigen, ist ihr eines besonders wichtig: „Ich putze genau so, wie es Huberta immer selbst gemacht hat.“ Sie sei der „verlängerte Arm“ ihrer Klienten und Klientinnen, der sie darin unterstütze, so lange wie möglich in der gewohnten Umgebung bleiben zu können.
Zuhören und lachen
Neben der praktischen Hilfe sind für die beiden Frauen – teilweise vertrauliche – Gespräche sehr wichtig. „Ich dringe in die Privatsphäre der Leute ein. Das darf man nicht unterschätzen“, weiß Carmen Schöch. Auch im Mobilen Hilfsdienst gilt die Schweigepflicht. Worauf kommt es außerdem für eine gute Beziehung zwischen Klientin und Helferin an? „Gemeinsam lachen zu können“, sagt Huberta Buttazoni. „Sie ist eine sehr gute Helferin“, lobt sie die junge Kollegin, „vor allem kann sie gut zuhören.“ Auf ihre eigene MoHi-Laufbahn blickt sie gerne zurück: „Ich würde alles wieder genau so machen. Mit allen bin ich gut ausgekommen, sogar mit schwer dementen Klienten.“ An welche schwierigen Momente erinnert sie sich? Sie zupft an ihrem weißen Halstuch, legt den Kopf in die linke Hand. „Schwierig in dem Sinn … nein. Es war einfach eine erfüllende Arbeit.“
Weiterbildung
Zum Mobilen Hilfsdienst kam sie als Quereinsteigerin. Ihre Eltern führten in Götzis ein Wirtshaus, in dem sie als Mädchen mitarbeitete. Später in Feldkirch machte sie einige Jahre als Bedienung weiter. Sie bekam drei Kinder, eins davon mit ihrem späteren Ehemann Anton. „Als die Kinder groß waren, fühlte ich mich unausgefüllt“, erzählt Huberta Buttazoni. Eine Bekannte gab ihr den richtigen Tipp. Andere Menschen zu betreuen, machte Huberta von Anfang an Spaß: „Ich habe mich gefreut, wenn sie sich freuen.“
Carmen Schöch startete ihre Laufbahn beim Mobilen Hilfsdienst im Sommer 2017. Die vorherige Beschäftigung im Verkauf befriedigte sie nicht mehr: „Im alten Job habe ich zu wenig Zusammenhalt gespürt. Ich wollte lieber etwas Sinnvolles tun.“ Zunächst war sie skeptisch, ob sich dieser Umstieg nicht nur inhaltlich, sondern auch finanziell lohnt: „Das monatliche Einkommen ist relativ unsicher. Wenn die Klienten im Krankenhaus sind oder aus anderen Gründen die Helferin nicht benötigen, reduziert sich zugleich das monatliche Einkommen. Doch in der Zwischenzeit betreue ich zwölf Klienten und muss mir wegen fehlenden Einsätzen keine Sorgen mehr machen.“ Über 30 Stunden ist sie pro Woche im Einsatz. Um ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern, hat sie die Heimhilfe-Ausbildung begonnen. „Ich möchte mit ganzem Herzen dabei sein und alles richtig machen“, sagt sie, „je mehr man weiß, desto besser kann man den Leuten helfen.“
Mobile Hilfsdienste
Die Mobilen Hilfsdienste suchen landesweit laufend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nach einem kostenlosen Grundkurs unterstützen MoHi-Helferinnen und ‑Helfer ältere, betreuungsbedürftige Menschen in ihrer gewohnten Umgebung: Gespräche, Vorlesen und Spazierengehen gehören ebenso dazu wie Hilfe im Haushalt oder die Begleitung bei Behördengängen und Arztbesuchen.
Gespür für den anderen
In diesem Moment kehrt Anton Buttazoni nachhause zurück. „50 Minuten war ich heute auf dem Laufband“, berichtet der 80-Jährige stolz von seinem Fitnesstraining, mit dem er gegen seine chronische Lungenerkrankung ankämpft. Mit ihm kommt der grau-weiß getigerte Kater Carlo durch die Tür und setzt sich mit wohligem Schnurren an die Seite des Reporters. „Ich müsste auch mehr unter die Leute“, sagt Huberta Buttazoni. Zwei ehemalige MoHi-Kolleginnen kämen immer wieder zu Besuch, sie bleibe eher zuhause. Früher hingegen sei sie sehr viel unterwegs gewesen, momentan fehle ihr dazu der Antrieb. Bis sie wieder besser zu Fuß ist, genießt sie die Gespräche mit Carmen Schöch. „In diesem Beruf braucht man eine gute Beobachtungsgabe, viel Verständnis und Feingefühl“, sagt diese. Huberta Buttazoni nickt. „Wir sind uns schon ähnlich“, findet Schöch. „Sehr“, bestätigt Buttazoni.
Von der Helferin zur Klientin
Text: Thorsten Bayer
Fotos und Video: Markus Gmeiner/Yohana Papa Onyango
Sechzehn Jahre lang hat Huberta Buttazoni selbst beim Mobilen Hilfsdienst Feldkirch gearbeitet. Heute freut sich die 71-Jährige über die Unterstützung einer Nachfolgerin.
Oft ist Scham im Spiel, wenn zum ersten Mal jemand Neues ins Haus kommt. Vielen fällt es schwer, Hilfe anzunehmen bei Tätigkeiten, die sie selbst nicht mehr erledigen können. Diese Erfahrung machte Huberta Buttazoni häufig, als sie noch MoHi-Helferin war. „Oft steht dahinter die Angst, das Leben insgesamt nicht mehr allein auf die Reihe zu kriegen“, sagt die Feldkircherin. Vor drei Jahren musste sie nach einem Hüftbruch ihre Arbeit im Mobilen Hilfsdienst beenden. 2016 wurde sie selbst Klientin – und lernte ihre frühere Tätigkeit aus einer neuen Perspektive kennen. „Das war für mich ein großer Einschnitt, ich war nervös. Der Rollenwechsel fiel mir anfangs schwer“, erinnert sie sich.
Mittlerweile ist sie dankbar für die Hilfe beim Aufräumen, Staubsaugen und Bodenwischen – „bei Sachen, wo ich mir halt schwertue“, fasst Huberta Buttazoni die Aufgaben zusammen. Diese Liste ist bei der zart gebauten Frau momentan etwas länger als sonst. Im Februar stürzte sie über den Holzkorb in der Stube. Die Folge: einfacher Steißbein- und doppelter Schambeinbruch. „Ich bin eben eine Sturzpilotin“, sagt sie lächelnd. MoHi-Helferin Carmen Schöch (49) kommt jeden Donnerstag für anderthalb Stunden. Wenn sie beispielsweise zum Lappen greift, um die oberen Kästen zu reinigen, ist ihr eines besonders wichtig: „Ich putze genau so, wie es Huberta immer selbst gemacht hat.“ Sie sei der „verlängerte Arm“ ihrer Klienten und Klientinnen, der sie darin unterstütze, so lange wie möglich in der gewohnten Umgebung bleiben zu können.
Mobile Hilfsdienste
Die Mobilen Hilfsdienste suchen landesweit laufend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nach einem kostenlosen Grundkurs unterstützen MoHi-Helferinnen und ‑Helfer ältere, betreuungsbedürftige Menschen in ihrer gewohnten Umgebung: Gespräche, Vorlesen und Spazierengehen gehören ebenso dazu wie Hilfe im Haushalt oder die Begleitung bei Behördengängen und Arztbesuchen.
Zuhören und lachen
Neben der praktischen Hilfe sind für die beiden Frauen – teilweise vertrauliche – Gespräche sehr wichtig. „Ich dringe in die Privatsphäre der Leute ein. Das darf man nicht unterschätzen“, weiß Carmen Schöch. Auch im Mobilen Hilfsdienst gilt die Schweigepflicht. Worauf kommt es außerdem für eine gute Beziehung zwischen Klientin und Helferin an? „Gemeinsam lachen zu können“, sagt Huberta Buttazoni. „Sie ist eine sehr gute Helferin“, lobt sie die junge Kollegin, „vor allem kann sie gut zuhören.“ Auf ihre eigene MoHi-Laufbahn blickt sie gerne zurück: „Ich würde alles wieder genau so machen. Mit allen bin ich gut ausgekommen, sogar mit schwer dementen Klienten.“ An welche schwierigen Momente erinnert sie sich? Sie zupft an ihrem weißen Halstuch, legt den Kopf in die linke Hand. „Schwierig in dem Sinn … nein. Es war einfach eine erfüllende Arbeit.“
Weiterbildung
Zum Mobilen Hilfsdienst kam sie als Quereinsteigerin. Ihre Eltern führten in Götzis ein Wirtshaus, in dem sie als Mädchen mitarbeitete. Später in Feldkirch machte sie einige Jahre als Bedienung weiter. Sie bekam drei Kinder, eins davon mit ihrem späteren Ehemann Anton. „Als die Kinder groß waren, fühlte ich mich unausgefüllt“, erzählt Huberta Buttazoni. Eine Bekannte gab ihr den richtigen Tipp. Andere Menschen zu betreuen, machte Huberta von Anfang an Spaß: „Ich habe mich gefreut, wenn sie sich freuen.“
Carmen Schöch startete ihre Laufbahn beim Mobilen Hilfsdienst im Sommer 2017. Die vorherige Beschäftigung im Verkauf befriedigte sie nicht mehr: „Im alten Job habe ich zu wenig Zusammenhalt gespürt. Ich wollte lieber etwas Sinnvolles tun.“ Zunächst war sie skeptisch, ob sich dieser Umstieg nicht nur inhaltlich, sondern auch finanziell lohnt: „Das monatliche Einkommen ist relativ unsicher. Wenn die Klienten im Krankenhaus sind oder aus anderen Gründen die Helferin nicht benötigen, reduziert sich zugleich das monatliche Einkommen. Doch in der Zwischenzeit betreue ich zwölf Klienten und muss mir wegen fehlenden Einsätzen keine Sorgen mehr machen.“ Über 30 Stunden ist sie pro Woche im Einsatz. Um ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern, hat sie die Heimhilfe-Ausbildung begonnen. „Ich möchte mit ganzem Herzen dabei sein und alles richtig machen“, sagt sie, „je mehr man weiß, desto besser kann man den Leuten helfen.“
Gespür für den anderen
In diesem Moment kehrt Anton Buttazoni nachhause zurück. „50 Minuten war ich heute auf dem Laufband“, berichtet der 80-Jährige stolz von seinem Fitnesstraining, mit dem er gegen seine chronische Lungenerkrankung ankämpft. Mit ihm kommt der grau-weiß getigerte Kater Carlo durch die Tür und setzt sich mit wohligem Schnurren an die Seite des Reporters. „Ich müsste auch mehr unter die Leute“, sagt Huberta Buttazoni. Zwei ehemalige MoHi-Kolleginnen kämen immer wieder zu Besuch, sie bleibe eher zuhause. Früher hingegen sei sie sehr viel unterwegs gewesen, momentan fehle ihr dazu der Antrieb. Bis sie wieder besser zu Fuß ist, genießt sie die Gespräche mit Carmen Schöch. „In diesem Beruf braucht man eine gute Beobachtungsgabe, viel Verständnis und Feingefühl“, sagt diese. Huberta Buttazoni nickt. „Wir sind uns schon ähnlich“, findet Schöch. „Sehr“, bestätigt Buttazoni.