„Wir sind schon längst kein Wäsche- und Badeverein mehr“
Text: Thorsten Bayer
Fotos und Video: Markus Gmeiner/Yohana Papa Onyango
Vom Schlaganfall bis zu Parkinson, von der Demenz bis zur Diabetes: Die Mitarbeiterinnen des Gesundheits- und Krankenpflegevereins Vorderland haben es mit sehr unterschiedlichen Krankheitsbildern zu tun.
Die ersten zwei Einsätze des heutigen Tages liegen jetzt, um neun Uhr morgens, bereits hinter Edith Bechter. Zunächst wurde sie zu einer älteren Dame gerufen, die an Multipler Sklerose leidet. Normalerweise kommt eine Kollegin einmal pro Woche zum Duschen. Doch die Tochter der Patientin hatte eine Nachricht auf dem Büro-Anrufbeantworter hinterlassen. Die Haut ihrer Mutter ist durch eine Chemotherapie sehr empfindlich geworden, nun hatte sie sich wundgelegen. Bechter machte sich sofort auf den Weg. „Ich habe ihr den Verband gewechselt und durch Kneten ihren Katheter wieder durchlässig gemacht“, erzählt die 59-Jährige. Außerdem bestellte sie eine spezielle neue Unterlage, eine sogenannte Wechseldruckmatratze. Die richtige Lagerung ist bei dieser Frau ganz wichtig. Damit sich ihre 24-Stunden-Betreuerin bei diesem Thema auch gut auskennt, vermittelte ihr Bechter die nötigen Inhalte und Handgriffe.
Der zweite Termin stand schon länger fest: Einem Parkinson-Patienten legte sie Kompresse und Stützstrümpfe an. Bei der Krankenpflege unterscheidet Bechter zwei Teile: Zur körperlichen Pflege gehören unter anderem Waschen, Eincremen oder die Unterstützung der Patienten beim Gehen. Wenn es der Arzt verordnet hat, kommt die medizinische Pflege ins Spiel, beispielsweise Spritzen, Infusionen und Einläufe. „Und ganz wichtig sind in jedem Fall Gespräche mit den Patienten“, betont sie. Eine gute Beobachtungsgabe brauche es in diesem Beruf, außerdem müsse man gut zuhören können.
Diplomierte Pflegekräfte
Ihren Aufgaben als Gesamtleiterin des Vereins geht sie zur einen Hälfte im Büro in Sulz nach, zur anderen vor Ort bei Patientinnen und Patienten. Gemeinsam mit 15 Mitarbeiterinnen in der Krankenpflege kümmert sie sich um rund 130 Menschen in den Gemeinden Sulz, Röthis, Zwischenwasser, Viktorsberg und Laterns. Manche besuchen sie einmal pro Woche, andere täglich. Der Großteil der Kolleginnen hat, wie sie selbst, einen Abschluss als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Die Patienten leiden zum Beispiel an Demenz und anderen Beschwerden des Alters, aber auch z. B. an Querschnittslähmung, Depressionen oder Schizophrenie.
Breites Aufgabenspektrum
Zusätzlich ist Edith Bechter für die weiteren Dienstleistungen des Vereins zuständig: mobiler Hilfsdienst, ein ambulantes gerontopsychiatrisches Projekt sowie Case Management. Damit ist der Service gemeint, „bestimmte Situationen zu managen“, wie sie es lapidar ausdrückt. Meistens geht es um die Rückkehr eines Menschen aus dem Spital. Andere Beispiele sind überforderte Patienten oder pflegende Angehörige zuhause. In solchen Fällen melden sich Spitäler, Angehörige, andere Krankenpflegevereine oder die Patienten selbst bei ihr. Dann schaut sie sich die Situation vor Ort an und berät die Betroffenen, welche Maßnahmen sinnvoll sind. In regelmäßigen Abständen kommt sie wieder, um zu prüfen, ob neue Schritte nötig sind. Auch die Langzeitpflege hat sie im Blick: Die Anmeldeliste für das „Vorderlandhus“, das Sozialzentrum in Röthis, läuft über ihren Schreibtisch.
Krankenpflege-Vereine in Vorarlberg
Die 66 Krankenpflegevereine kümmern sich landesweit um Menschen, die nicht mehr die Kraft haben, sich selbst zu versorgen. Rund 62.000 Mitglieder tragen diese Solidargemeinschaft. Mit durchschnittlich 30 Euro Mitgliedsbeitrag pro Jahr erhalten sie die Unterstützung in der Pflege und Betreuung in ihrem Zuhause.
Fokus auf das Personal
Edith Bechter schaut auf eine lange Karriere im medizinisch-pflegerischen Bereich zurück. Am Anfang stand die Beschäftigung als Haushaltshilfe bei einer Arztfamilie. „Dort habe ich viele Fachgespräche mitbekommen, die mich neugierig gemacht haben“, erzählt sie. Nach der Krankenpflegeschule arbeitete sie sechs Jahre an der Allgemeinchirurgie im Feldkircher Spital. Sie bekam drei Söhne und kümmerte sich sechzehn Jahre lang zuhause in Göfis um sie. In dieser Phase gab sie Geburtsvorbereitungskurse und bildete sich selbst weiter, beispielsweise bei alternativen Therapien wie Homöopathie und Bachblüten. 2002 stieg sie wieder voll ins Berufsleben ein. „Das Menschliche hat den Ausschlag für die Hauskrankenpflege gegeben“, erzählt sie. Dieser menschliche Faktor kommt nicht nur im Umgang mit den Patienten zum Tragen: „Für mich ist ein funktionierendes Team mit psychisch und physisch gesunden Mitarbeiterinnen die Voraussetzung, dass die Patienten gut versorgt werden können.“
Vertrauen und Teambuilding sind ihr daher wichtig. Dazu unternehmen die Frauen einmal im Quartal gemeinsam etwas: Wandertouren zählen ebenso dazu wie ein Besuch im Frauenmuseum. Selbst entspannt sie sich am besten bei der Arbeit im eigenen Garten, da könne sie sich richtig erden.
Motivierend
Die Anforderungen in der Pflege sind in den vergangenen Jahren komplexer und vielseitiger geworden. Die Zeiten, in denen Krankenpflege-Organisationen noch als „Wäsche- und Badeverein“ belächelt wurden, sind zum Glück lange vorbei. „Krankenpflege hat in den vergangenen Jahren einen viel höheren Stellenwert bekommen“, sagt sie. Das liege auch an den komplexeren Anforderungen heute und daran, dass früher nur alte Menschen gepflegt wurden. Heute seien die Patienten deutlich jünger geworden. So kümmert sich der GKPV Vorderland unter anderem auch um Unfallopfer. Edith Bechter liebt ihren Beruf spürbar. Was macht ihn vor allem aus? „Zum einen sind das zufriedene Patienten, die uns viel Freude zurückgeben. Zum anderen motivieren Heilungserfolge, zum Beispiel eine Wunde, die sich wieder schließt, oder der Zustand eines Schlaganfall-Patienten, dessen Zustand sich zusehends verbessert. Solche Momente machen uns immer ganz stolz.“
„Wir sind schon längst kein Wäsche- und Badeverein mehr“
Text: Thorsten Bayer
Fotos und Video: Markus Gmeiner/Yohana Papa Onyango
Vom Schlaganfall bis zu Parkinson, von der Demenz bis zur Diabetes: Die Mitarbeiterinnen des Gesundheits- und Krankenpflegevereins Vorderland haben es mit sehr unterschiedlichen Krankheitsbildern zu tun.
Die ersten zwei Einsätze des heutigen Tages liegen jetzt, um neun Uhr morgens, bereits hinter Edith Bechter. Zunächst wurde sie zu einer älteren Dame gerufen, die an Multipler Sklerose leidet. Normalerweise kommt eine Kollegin einmal pro Woche zum Duschen. Doch die Tochter der Patientin hatte eine Nachricht auf dem Büro-Anrufbeantworter hinterlassen. Die Haut ihrer Mutter ist durch eine Chemotherapie sehr empfindlich geworden, nun hatte sie sich wundgelegen. Bechter machte sich sofort auf den Weg.
„Ich habe ihr den Verband gewechselt und durch Kneten ihren Katheter wieder durchlässig gemacht“, erzählt die 59-Jährige. Außerdem bestellte sie eine spezielle neue Unterlage, eine sogenannte Wechseldruckmatratze. Die richtige Lagerung ist bei dieser Frau ganz wichtig. Damit sich ihre 24-Stunden-Betreuerin bei diesem Thema auch gut auskennt, vermittelte ihr Bechter die nötigen Inhalte und Handgriffe.
Der zweite Termin stand schon länger fest: Einem Parkinson-Patienten legte sie Kompresse und Stützstrümpfe an. Bei der Krankenpflege unterscheidet Bechter zwei Teile: Zur körperlichen Pflege gehören unter anderem Waschen, Eincremen oder die Unterstützung der Patienten beim Gehen. Wenn es der Arzt verordnet hat, kommt die medizinische Pflege ins Spiel, beispielsweise Spritzen, Infusionen und Einläufe. „Und ganz wichtig sind in jedem Fall Gespräche mit den Patienten“, betont sie. Eine gute Beobachtungsgabe brauche es in diesem Beruf, außerdem müsse man gut zuhören können.
Diplomierte Pflegekräfte
Ihren Aufgaben als Gesamtleiterin des Vereins geht sie zur einen Hälfte im Büro in Sulz nach, zur anderen vor Ort bei Patientinnen und Patienten. Gemeinsam mit 15 Mitarbeiterinnen in der Krankenpflege kümmert sie sich um rund 130 Menschen in den Gemeinden Sulz, Röthis, Zwischenwasser, Viktorsberg und Laterns. Manche besuchen sie einmal pro Woche, andere täglich. Der Großteil der Kolleginnen hat, wie sie selbst, einen Abschluss als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Die Patienten leiden zum Beispiel an Demenz und anderen Beschwerden des Alters, aber auch z. B. an Querschnittslähmung, Depressionen oder Schizophrenie.
Breites Aufgabenspektrum
Zusätzlich ist Edith Bechter für die weiteren Dienstleistungen des Vereins zuständig: mobiler Hilfsdienst, ein ambulantes gerontopsychiatrisches Projekt sowie Case Management. Damit ist der Service gemeint, „bestimmte Situationen zu managen“, wie sie es lapidar ausdrückt. Meistens geht es um die Rückkehr eines Menschen aus dem Spital. Andere Beispiele sind überforderte Patienten oder pflegende Angehörige zuhause. In solchen Fällen melden sich Spitäler, Angehörige, andere Krankenpflegevereine oder die Patienten selbst bei ihr. Dann schaut sie sich die Situation vor Ort an und berät die Betroffenen, welche Maßnahmen sinnvoll sind. In regelmäßigen Abständen kommt sie wieder, um zu prüfen, ob neue Schritte nötig sind. Auch die Langzeitpflege hat sie im Blick: Die Anmeldeliste für das „Vorderlandhus“, das Sozialzentrum in Röthis, läuft über ihren Schreibtisch.
Krankenpflege-Vereine in Vorarlberg
Die 66 Krankenpflegevereine kümmern sich landesweit um Menschen, die nicht mehr die Kraft haben, sich selbst zu versorgen. Rund 62.000 Mitglieder tragen diese Solidargemeinschaft. Mit durchschnittlich 30 Euro Mitgliedsbeitrag pro Jahr erhalten sie die Unterstützung in der Pflege und Betreuung in ihrem Zuhause.
Fokus auf das Personal
Edith Bechter schaut auf eine lange Karriere im medizinisch-pflegerischen Bereich zurück. Am Anfang stand die Beschäftigung als Haushaltshilfe bei einer Arztfamilie. „Dort habe ich viele Fachgespräche mitbekommen, die mich neugierig gemacht haben“, erzählt sie. Nach der Krankenpflegeschule arbeitete sie sechs Jahre an der Allgemeinchirurgie im Feldkircher Spital. Sie bekam drei Söhne und kümmerte sich sechzehn Jahre lang zuhause in Göfis um sie. In dieser Phase gab sie Geburtsvorbereitungskurse und bildete sich selbst weiter, beispielsweise bei alternativen Therapien wie Homöopathie und Bachblüten. 2002 stieg sie wieder voll ins Berufsleben ein. „Das Menschliche hat den Ausschlag für die Hauskrankenpflege gegeben“, erzählt sie. Dieser menschliche Faktor kommt nicht nur im Umgang mit den Patienten zum Tragen: „Für mich ist ein funktionierendes Team mit psychisch und physisch gesunden Mitarbeiterinnen die Voraussetzung, dass die Patienten gut versorgt werden können.“
Vertrauen und Teambuilding sind ihr daher wichtig. Dazu unternehmen die Frauen einmal im Quartal gemeinsam etwas: Wandertouren zählen ebenso dazu wie ein Besuch im Frauenmuseum. Selbst entspannt sie sich am besten bei der Arbeit im eigenen Garten, da könne sie sich richtig erden.
Motivierend
Die Anforderungen in der Pflege sind in den vergangenen Jahren komplexer und vielseitiger geworden. Die Zeiten, in denen Krankenpflege-Organisationen noch als „Wäsche- und Badeverein“ belächelt wurden, sind zum Glück lange vorbei. „Krankenpflege hat in den vergangenen Jahren einen viel höheren Stellenwert bekommen“, sagt sie. Das liege auch an den komplexeren Anforderungen heute und daran, dass früher nur alte Menschen gepflegt wurden. Heute seien die Patienten deutlich jünger geworden. So kümmert sich der GKPV Vorderland unter anderem auch um Unfallopfer. Edith Bechter liebt ihren Beruf spürbar. Was macht ihn vor allem aus? „Zum einen sind das zufriedene Patienten, die uns viel Freude zurückgeben. Zum anderen motivieren Heilungserfolge, zum Beispiel eine Wunde, die sich wieder schließt, oder der Zustand eines Schlaganfall-Patienten, dessen Zustand sich zusehends verbessert. Solche Momente machen uns immer ganz stolz.“