Pflege berührt

Zurück in den Alltag

Text: Thors­ten Bayer
Fotos und Video: Mar­kus Gmeiner/Yohana Papa Onyango

Johann Wall­ner (88) ist auf dem bes­ten Weg, nach einer Ope­ra­tion wie­der zuhause zurecht­zu­kom­men. Er pro­fi­tiert vom Pro­jekt „Ger­ia­tri­sche Remo­bi­li­sa­tion im Pflegeheim“.

Die heu­tige Phy­sio­the­ra­pie-Ein­heit hat noch nicht begon­nen, doch Johann Wall­ner trai­niert bereits eif­rig. Um sei­nen lin­ken Fuß hat er ein rotes Gum­mi­band gebun­den, das er mit bei­den Hän­den fest­hält. Immer wie­der beugt und streckt er sein Knie. Seine Fort­schritte sieht man ihm an: Seine blauen Augen leuch­ten mit dem weiß-rosa gestreif­ten Hemd um die Wette. Sta­bi­li­sa­tion und Kräf­ti­gung sei­nes Knies sind nun wich­tig: Vor einem Monat hatte er sich den lin­ken Ober­schen­kel unter­halb der Hüft­pro­these gebro­chen – und das bereits zum zwei­ten Mal. „Auf dem Weg vom Schlaf­zim­mer ins Wohn­zim­mer bin ich gestürzt“, erin­nert sich der 88-jäh­rige Bre­gen­zer. Nach der Zeit im Kran­ken­haus konnte er noch nicht alleine gehen – unmög­lich, gleich wie­der nach Hause zu kom­men. Das Spi­tal über­wies ihn ins Sen­eCura Sozi­al­zen­trum Hard, wo er nun im Rah­men des Lan­des-Pro­jek­tes „Ger­ia­tri­sche Remo­bi­li­sa­tion im Pfle­ge­heim“, kurz GRIP, 28 Tage verbringt.

Zusam­men­ar­beit
„Die­ses Pro­jekt hat vor allem ein Ziel: Nach einem Spi­tals­auf­ent­halt sol­len die Pati­en­ten auf eine weit­ge­hend selbst­be­stimmte Lebens­füh­rung vor­be­rei­tet wer­den“, erklärt Heim­lei­ter Ger­hard Sinz. Außer­dem gehe es darum, die Ver­weil­dauer älte­rer Pati­en­ten nach der Akut­be­hand­lung im Spi­tal zu ver­kür­zen und Rück­fälle zu ver­hin­dern. Fünf Plätze sind in Hard für diese Pati­en­ten reser­viert. Sie wer­den nach einem fixen Ver­tei­lungs­schlüs­sel ver­ge­ben: Drei belegt die Unfall­chir­ur­gie Bre­genz – wie bei Johann Wall­ner –, zwei die Neu­ro­lo­gie Rankweil.
„Bei älte­ren Pati­en­ten dau­ert die Gene­sung län­ger. Daher brau­chen einige noch inten­si­ves Trai­ning, bis sie wie­der fit genug für ihren All­tag zuhause sind“, weiß Sinz. Drei Kom­po­nen­ten wir­ken zusam­men: Physio‑, Logo- und Ergo­the­ra­pie über­neh­men die Spe­zia­lis­ten der SMO Neu­ro­lo­gi­sche Reha­bi­li­ta­tion. Das Pfle­ge­per­so­nal des Hau­ses hilft den Pati­en­ten bei­spiel­weise beim Waschen und bei Toi­let­ten­gän­gen. Ein All­ge­mein­me­di­zi­ner mit Zusatz­fach Ger­ia­trie ist eben­falls mit im Boot: Er kommt drei­mal pro Woche zur Visite.

Vor­zei­ge­schü­ler
Klas­si­sche Fälle in die­sem Pro­jekt sind Pati­en­ten mit Brü­chen, Schlag­an­fäl­len oder Schä­del-Hirn-Trau­men. Ein klas­si­scher und gleich­zei­tig ganz beson­de­rer Fall ist Johann Wall­ner. „Ich bin ein Vor­zei­ge­schü­ler“, sagt er lachend. „Da hast du recht“, pflich­tet ihm Phy­sio­the­ra­peu­tin Katja Marent-Weindl bei. In den zwei­ein­halb Wochen seit sei­ner Ankunft ist er schon weit gekom­men. Ste­hen und Gehen war anfangs nicht mög­lich. Mitt­ler­weile ist er mit dem soge­nann­ten Geh­bock, einem Gestell mit vier Füßen, schon auf den Gän­gen des Hau­ses unter­wegs. Wall­ner bestä­tigt ihre Ein­schät­zung des Pro­jek­tes: „Im Ver­gleich zur ambu­lan­ten Behand­lung ist es hier viel inten­si­ver, man holt viel mehr her­aus.“ Jeden Tag hat er 30 bis 45 Minu­ten Phy­sio­the­ra­pie, ebenso lange trai­niert er im top­mo­der­nen Fit­ness­raum an Gerä­ten, die spe­zi­ell für Senio­ren ent­wi­ckelt wurden.
„Man merkt, dass er sich wohl­fühlt und top­mo­ti­viert ist. Er hat ein kla­res Ziel vor Augen, das erleich­tert meine Arbeit“, sagt Marent-Weindl. Der 88-Jäh­rige bestä­tigt das: „Mir tut es selbst gut, etwas zu tun. Ich schaue ein­fach, dass ich nicht ein­roste. Andere las­sen sich hän­gen, ich nicht.“

Unver­än­dert positiv
Auf­ge­ben ist keine Option für den Kärnt­ner, der in sei­ner Hei­mat zwan­zig Jahre lang in einem Berg­werk schuf­tete und damals mit Nasen- und Rip­pen­brü­chen die Basis für eine lange Kran­ken­akte anlegte. „Ich habe halt öfter Pech gehabt“, befin­det er lako­nisch und meint damit auch einen spä­te­ren Schlag­an­fall und die Unfälle, die zu zwei künst­li­chen Hüft­ge­len­ken führ­ten. Seine Lebens­freude ließ er sich des­we­gen nicht neh­men. Er genoss das Ski­fah­ren, Wan­dern und war viel auf Rei­sen. Von den Polar­lich­tern am Nord­kap schwärmt er heute noch. Sein hal­bes Leben hat er am Boden­see ver­bracht und zuletzt in einer Kleb­stoff-Fabrik in Bre­genz gear­bei­tet. Er kann andere mit­rei­ßen: Zwan­zig Jahre lang lei­tete er mit sei­ner Frau Paula eine Tanz­gruppe des Pen­sio­nis­ten­ver­bands in Bregenz.

Übergangspflege

Das Land Vor­arl­berg bie­tet ver­schie­dene Mög­lich­kei­ten, um Men­schen nach einer Akut­be­hand­lung im Kran­ken­haus wie­der fit zu machen. So wer­den ältere Men­schen gezielt auf den All­tag zuhause vor­be­rei­tet und pfle­gende Ange­hö­rige ent­las­tet. Diese For­men der Über­gangs­pflege sind meist auf vier Wochen begrenzt.

Weni­ger Angst
Das GRIP-Pro­jekt läuft seit März 2017 und ist auf zwei Jahre befris­tet. Neben dem Sen­eCura Sozi­al­zen­trum Hard wird es im Senio­ren- und Pfle­ge­heim Nen­zing umge­setzt. Für Ger­hard Sinz, Heim­lei­ter in Hard, geht das Kon­zept auf, die Nach­frage nach den Plät­zen sei hoch. Seine Kol­le­gin Susanne Ulmer lei­tet den Wohn­be­reich im ers­ten Stock des im Jahr 2015 eröff­ne­ten Hau­ses. Dort ist neben Lang­zeit­pa­ti­en­ten auch Johann Wall­ner unter­ge­bracht. Die diplo­mierte Gesund­heits- und Kran­ken­schwes­ter weist auf ein inter­es­san­tes Phä­no­men hin: „Viele Pati­en­ten in die­sem Pro­jekt bauen ihre Angst vor Pfle­ge­hei­men ab. Es kommt immer wie­der vor, dass sie am Ende län­ger blei­ben möch­ten. Da flie­ßen häu­fi­ger Tränen.“
Auch Johann Wall­ner gefällt es hier sehr gut. Ob man ihn nach der The­ra­pie, dem Per­so­nal oder der Ver­pfle­gung fragt – sein Urteil ist stets das­selbe: „Alles super“. Auf die Ent­las­sung in zehn Tagen freut er sich den­noch. „Vor­her brau­che ich noch ein Sel­fie mit Katja“, sagt er mit einem schel­mi­schen Blick zur Phy­sio­the­ra­peu­tin. Zuhause lau­fen in der Zwi­schen­zeit die Vor­be­rei­tun­gen auf die Rück­kehr. Seine Frau und Kin­der haben einen Bade­wan­nen­lift orga­ni­siert. Eine Mit­ar­bei­te­rin des Kran­ken­pfle­ge­ver­eins Bre­genz wird künf­tig ein­mal wöchent­lich kom­men. Johann Wall­ner ist und bleibt in bes­ten Händen.

Zurück in den Alltag

Text: Thors­ten Bayer
Fotos und Video: Mar­kus Gmeiner/Yohana Papa Onyango

Johann Wall­ner (88) ist auf dem bes­ten Weg, nach einer Ope­ra­tion wie­der zuhause zurecht­zu­kom­men. Er pro­fi­tiert vom Pro­jekt „Ger­ia­tri­sche Remo­bi­li­sa­tion im Pflegeheim“.

Die heu­tige Phy­sio­the­ra­pie-Ein­heit hat noch nicht begon­nen, doch Johann Wall­ner trai­niert bereits eif­rig. Um sei­nen lin­ken Fuß hat er ein rotes Gum­mi­band gebun­den, das er mit bei­den Hän­den fest­hält. Immer wie­der beugt und streckt er sein Knie. Seine Fort­schritte sieht man ihm an: Seine blauen Augen leuch­ten mit dem weiß-rosa gestreif­ten Hemd um die Wette. Sta­bi­li­sa­tion und Kräf­ti­gung sei­nes Knies sind nun wich­tig: Vor einem Monat hatte er sich den lin­ken Ober­schen­kel unter­halb der Hüft­pro­these gebro­chen – und das bereits zum zwei­ten Mal. „Auf dem Weg vom Schlaf­zim­mer ins Wohn­zim­mer bin ich gestürzt“, erin­nert sich der 88-jäh­rige Bre­gen­zer. Nach der Zeit im Kran­ken­haus konnte er noch nicht alleine gehen – unmög­lich, gleich wie­der nach Hause zu kom­men. Das Spi­tal über­wies ihn ins Sen­eCura Sozi­al­zen­trum Hard, wo er nun im Rah­men des Lan­des-Pro­jek­tes „Ger­ia­tri­sche Remo­bi­li­sa­tion im Pfle­ge­heim“, kurz GRIP, 28 Tage verbringt.

Zusam­men­ar­beit
„Die­ses Pro­jekt hat vor allem ein Ziel: Nach einem Spi­tals­auf­ent­halt sol­len die Pati­en­ten auf eine weit­ge­hend selbst­be­stimmte Lebens­füh­rung vor­be­rei­tet wer­den“, erklärt Heim­lei­ter Ger­hard Sinz. Außer­dem gehe es darum, die Ver­weil­dauer älte­rer Pati­en­ten nach der Akut­be­hand­lung im Spi­tal zu ver­kür­zen und Rück­fälle zu ver­hin­dern. Fünf Plätze sind in Hard für diese Pati­en­ten reser­viert. Sie wer­den nach einem fixen Ver­tei­lungs­schlüs­sel ver­ge­ben: Drei belegt die Unfall­chir­ur­gie Bre­genz – wie bei Johann Wall­ner –, zwei die Neu­ro­lo­gie Rankweil.

Bei älte­ren Pati­en­ten dau­ert die Gene­sung län­ger. Daher brau­chen einige noch inten­si­ves Trai­ning, bis sie wie­der fit genug für ihren All­tag zuhause sind“, weiß Sinz. Drei Kom­po­nen­ten wir­ken zusam­men: Physio‑, Logo- und Ergo­the­ra­pie über­neh­men die Spe­zia­lis­ten der SMO Neu­ro­lo­gi­sche Reha­bi­li­ta­tion. Das Pfle­ge­per­so­nal des Hau­ses hilft den Pati­en­ten bei­spiel­weise beim Waschen und bei Toi­let­ten­gän­gen. Ein All­ge­mein­me­di­zi­ner mit Zusatz­fach Ger­ia­trie ist eben­falls mit im Boot: Er kommt drei­mal pro Woche zur Visite.

Vor­zei­ge­schü­ler
Klas­si­sche Fälle in die­sem Pro­jekt sind Pati­en­ten mit Brü­chen, Schlag­an­fäl­len oder Schä­del-Hirn-Trau­men. Ein klas­si­scher und gleich­zei­tig ganz beson­de­rer Fall ist Johann Wall­ner. „Ich bin ein Vor­zei­ge­schü­ler“, sagt er lachend. „Da hast du recht“, pflich­tet ihm Phy­sio­the­ra­peu­tin Katja Marent-Weindl bei. In den zwei­ein­halb Wochen seit sei­ner Ankunft ist er schon weit gekom­men. Ste­hen und Gehen war anfangs nicht mög­lich. Mitt­ler­weile ist er mit dem soge­nann­ten Geh­bock, einem Gestell mit vier Füßen, schon auf den Gän­gen des Hau­ses unter­wegs. Wall­ner bestä­tigt ihre Ein­schät­zung des Pro­jek­tes: „Im Ver­gleich zur ambu­lan­ten Behand­lung ist es hier viel inten­si­ver, man holt viel mehr her­aus.“ Jeden Tag hat er 30 bis 45 Minu­ten Phy­sio­the­ra­pie, ebenso lange trai­niert er im top­mo­der­nen Fit­ness­raum an Gerä­ten, die spe­zi­ell für Senio­ren ent­wi­ckelt wurden.
„Man merkt, dass er sich wohl­fühlt und top­mo­ti­viert ist. Er hat ein kla­res Ziel vor Augen, das erleich­tert meine Arbeit“, sagt Marent-Weindl. Der 88-Jäh­rige bestä­tigt das: „Mir tut es selbst gut, etwas zu tun. Ich schaue ein­fach, dass ich nicht ein­roste. Andere las­sen sich hän­gen, ich nicht.“

Übergangspflege

Das Land Vor­arl­berg bie­tet ver­schie­dene Mög­lich­kei­ten, um Men­schen nach einer Akut­be­hand­lung im Kran­ken­haus wie­der fit zu machen. So wer­den ältere Men­schen gezielt auf den All­tag zuhause vor­be­rei­tet und pfle­gende Ange­hö­rige ent­las­tet. Diese For­men der Über­gangs­pflege sind meist auf vier Wochen begrenzt.

Unver­än­dert positiv
Auf­ge­ben ist keine Option für den Kärnt­ner, der in sei­ner Hei­mat zwan­zig Jahre lang in einem Berg­werk schuf­tete und damals mit Nasen- und Rip­pen­brü­chen die Basis für eine lange Kran­ken­akte anlegte. „Ich habe halt öfter Pech gehabt“, befin­det er lako­nisch und meint damit auch einen spä­te­ren Schlag­an­fall und die Unfälle, die zu zwei künst­li­chen Hüft­ge­len­ken führ­ten. Seine Lebens­freude ließ er sich des­we­gen nicht neh­men. Er genoss das Ski­fah­ren, Wan­dern und war viel auf Reisen.Von den Polar­lich­tern am Nord­kap schwärmt er heute noch. Sein hal­bes Leben hat er am Boden­see ver­bracht und zuletzt in einer Kleb­stoff-Fabrik in Bre­genz gear­bei­tet. Er kann andere mit­rei­ßen: Zwan­zig Jahre lang lei­tete er mit sei­ner Frau Paula eine Tanz­gruppe des Pen­sio­nis­ten­ver­bands in Bregenz.

Weni­ger Angst
Das GRIP-Pro­jekt läuft seit März 2017 und ist auf zwei Jahre befris­tet. Neben dem Sen­eCura Sozi­al­zen­trum Hard wird es im Senio­ren- und Pfle­ge­heim Nen­zing umge­setzt. Für Ger­hard Sinz, Heim­lei­ter in Hard, geht das Kon­zept auf, die Nach­frage nach den Plät­zen sei hoch. Seine Kol­le­gin Susanne Ulmer lei­tet den Wohn­be­reich im ers­ten Stock des im Jahr 2015 eröff­ne­ten Hau­ses. Dort ist neben Lang­zeit­pa­ti­en­ten auch Johann Wall­ner unter­ge­bracht. Die diplo­mierte Gesund­heits- und Kran­ken­schwes­ter weist auf ein inter­es­san­tes Phä­no­men hin: „Viele Pati­en­ten in die­sem Pro­jekt bauen ihre Angst vor Pfle­ge­hei­men ab. Es kommt immer wie­der vor, dass sie am Ende län­ger blei­ben möch­ten. Da flie­ßen häu­fi­ger Tränen.“

Auch Johann Wall­ner gefällt es hier sehr gut. Ob man ihn nach der The­ra­pie, dem Per­so­nal oder der Ver­pfle­gung fragt – sein Urteil ist stets das­selbe: „Alles super“. Auf die Ent­las­sung in zehn Tagen freut er sich den­noch. „Vor­her brau­che ich noch ein Sel­fie mit Katja“, sagt er mit einem schel­mi­schen Blick zur Phy­sio­the­ra­peu­tin. Zuhause lau­fen in der Zwi­schen­zeit die Vor­be­rei­tun­gen auf die Rück­kehr. Seine Frau und Kin­der haben einen Bade­wan­nen­lift orga­ni­siert. Eine Mit­ar­bei­te­rin des Kran­ken­pfle­ge­ver­eins Bre­genz wird künf­tig ein­mal wöchent­lich kom­men. Johann Wall­ner ist und bleibt in bes­ten Händen.

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