Pflege berührt

So schön habe ich es noch nie gehabt“

Text: Thors­ten Bayer
Fotos und Video: Mar­kus Gmeiner/Yohana Papa Onyango

In einer betreu­ten Wohn­ge­mein­schaft schätzt Franz Rin­de­rer (54) die Unter­stüt­zung des Per­so­nals, das Zusam­men­le­ben mit den ande­ren – und nicht zuletzt seine täg­li­chen Aufgaben.

Franz Rin­de­rer ist ein wasch­ech­ter Götz­ner. Kaum ver­lässt er die Woh­nung, ist er mit­ten unter sei­nes­glei­chen. „Wenn ich zum Spa­zie­ren vor die Tür gehe, treffe ich viele Bekannte von frü­her“, sagt er. Kein Wun­der – zen­tra­ler als er, mit­ten am Garn­markt, kann man nicht woh­nen. Mit elf ande­ren Men­schen im Alter zwi­schen 49 und 95 Jah­ren lebt er seit 2014 in einer betreu­ten Senioren-WG.

Jede und jeder von ihnen hat ein gro­ßes möblier­tes Zim­mer mit eige­nem Bad und meist auch einem Bal­kon. Einige Ele­mente wie das Pfle­ge­bett sind fix, andere wie Bil­der oder Klein­mö­bel brin­gen die Bewoh­ner zum Teil sel­ber mit. In einem gemein­sa­men Ess-Wohn­be­reich mit offe­ner Küche und zwei wei­te­ren Bal­ko­nen kom­men sie zusam­men. Am Abend gibt es eine Akti­vie­rungs­runde, bei der sie bei­spiels­weise sin­gen, bas­teln, unter­schied­lichste Spiele spie­len und manch­mal auch tan­zen. Beson­ders gut gefällt Franz der „Stamm­tisch Har­mo­nie“ im Anschluss, bei dem erzählt und gewit­zelt, aber auch Erns­te­res bespro­chen wird.

Struk­tur hilft
Von erns­ten The­men kann auch er erzäh­len. Lange hatte er mit sei­ner Mut­ter auf dem Bau­ern­hof der Fami­lie zusam­men­ge­lebt. Als sie krank wurde und Betreu­ung benö­tigte, ging es ihm schnell sehr schlecht. „Ich bin in ein Loch gefal­len“, erin­nert er sich. So ging es nicht wei­ter. Da wurde er von ärzt­li­cher Seite auf die Senio­ren-WG, die von den Häu­sern der Genera­tio­nen betreut wird, auf­merk­sam gemacht. Diese Wohn­form eig­net sich für Men­schen bis Pfle­ge­stufe 3, die leichte Unter­stüt­zung brau­chen und in der Lage sind, sich am WG-All­tag zu betei­li­gen. Der eine gießt die Blu­men oder räumt die Spül­ma­schine aus, die andere kauft mor­gens Bröt­chen oder deckt den Tisch. Man hat immer etwas zu tun – diese Struk­tur ist für Franz Rin­de­rer beson­ders wich­tig. Er weiß genau, dass er nicht mehr alleine leben könnte: „Da wäre ich sehr ein­sam und käme nicht zurecht. Es würde mich zu sehr belasten.“

Gut ver­sorgt
„Uns ist es ganz wich­tig, so weit wie mög­lich Nor­ma­li­tät zu ver­mit­teln und die Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner zur Selbst­stän­dig­keit anzu­lei­ten“, sagt Susanne Fink, die Lei­te­rin des Wohn­be­reichs mit der tref­fen­den Bezeich­nung „WG Nach­bar­schaft“. Die Krank­heits­bil­der der Bewoh­ner rei­chen von Ein­schrän­kun­gen und Erkran­kun­gen des Alters über Per­sön­lich­keits­stö­run­gen bis zu Sucht­pro­ble­men. Sie­ben Mit­ar­bei­te­rin­nen sind für die Betreu­ung zustän­dig, ach­ten zum Bei­spiel dar­auf, dass sie regel­mä­ßig ihre Medi­ka­mente bekom­men und geben dort Unter­stüt­zung, wo sie nötig ist. Sie sind von 7 bis 21 Uhr in zwei Schich­ten vor Ort. Nachts besteht die Mög­lich­keit, über ein Ruf­sys­tem das benach­barte Pfle­ge­heim zu kon­tak­tie­ren. Ein­mal im Monat kommt der Haus­arzt zur Visite zu jenen, für die es zu schwie­rig ist, selbst die Ordi­na­tion aufzusuchen.

Franz Rin­de­rer schätzt diese Ange­bote sehr. „Bei einem Pro­blem ist immer jemand für mich da“, sagt er mit ruhi­ger, leicht sto­cken­der Stimme. Er kommt gut in der WG klar, Streit gibt es sel­ten – und wenn doch, dann ist er auch schnell wie­der ver­ges­sen. Er möchte hier­blei­ben: „So schön habe ich es noch nie gehabt.“

Arbeits­weg mit Traktor
Zu die­ser posi­ti­ven Ent­wick­lung trägt auch seine Arbeit bei. Seine gelieb­ten Kühe musste er ver­kau­fen. Doch der Käu­fer Her­bert Sohm bot ihm an, auf des­sen Hof in Alt­ach mit­zu­hel­fen und Käl­ber und Hüh­ner zu ver­sor­gen. Dort­hin macht er sich nun zwei­mal pro Woche auf, die Stre­cke legt er stil­echt im eige­nen Trak­tor zurück. Für land­wirt­schaft­li­che Maschi­nen hat er ohne­hin eine Schwä­che. Die Kennt­nisse aus sei­ner Lehre zum Schweiß­tech­ni­ker nutzte er, um einen Vieh­trans­por­ter zu bauen, der heute noch in Betrieb ist. Sei­nen zwei­ten Job erle­digt er im Pfle­ge­heim in Göt­zis, wo er bei der Müll­tren­nung und ande­ren wech­seln­den Auf­ga­ben mithilft.

Die Nähe zum Pfle­ge­heim hat wei­tere Vor­teile: Das Mit­tag­essen wird dort zube­rei­tet und in die WG gelie­fert. Und wenn sich der Zustand eines Bewoh­ners ver­schlech­tert, ist es mög­lich, dort­hin zu wech­seln, um mehr Unter­stüt­zung und Pflege zu erhal­ten. „Alle, die hier woh­nen, sind mit dem Haus der Genera­tio­nen in Kon­takt“, erzählt Susanne Fink. Dadurch seien die Nach­barn gute Bekannte und die Angst vor einer wei­te­ren Ver­än­de­rung der Umge­bung sei geringer.

Betreutes Wohnen in Vorarlberg

Von bar­rie­re­freiem Woh­nen über betreute Wohn­ge­mein­schaf­ten bis hin zum Woh­nen für Jung und Alt: In Vor­arl­berg gibt es eine große Viel­falt von Ange­bo­ten. Zahl­rei­che Gemein­den unter­stüt­zen pfle­ge­be­dürf­tige Men­schen, die indi­vi­du­ell pas­sende Balance aus Auto­no­mie und Pflege zu finden.

Inten­sive Erfahrungen
Der Kon­takt zwi­schen dem Bau­ern Her­bert Sohm, sei­ner Fami­lie und Franz Rin­de­rer ist eng. In sei­nem Zim­mer hängt direkt neben dem Bett ein Kalen­der, den die Fami­lie selbst für ihn gemacht hat und den Franz stolz dem Gast prä­sen­tiert. Der Kalen­der zeigt viele Fotos vom Bau­ern­hof, von den Hel­fern und Tie­ren. Dazu kom­men lie­be­voll aus­ge­suchte Spruchweisheiten.

Zum Schluss des Besuchs fällt ihm noch etwas ein. „Ges­tern habe ich wie­der auf dem Bau­ern­hof gear­bei­tet. Ein Kalb ist auf die Welt gekom­men und ich habe mit­hel­fen dür­fen. Das war ein tol­les Erleb­nis“, erzählt er mit leuch­ten­den Augen und einem seli­gen Lächeln. Wenn er mit Kühen zu tun hat, geht sein Herz spür­bar auf. Mit der Kom­bi­na­tion aus Arbeit und betreu­tem Woh­nen in der WG hat er das für ihn ideale Modell gefunden.

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